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GHG Protocol und ISO bündeln ihre Kräfte: Was die Harmonisierung der CO₂-Standards für Unternehmen bedeutet

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Die beiden wichtigsten Standards für Klimabilanzen wollen künftig gemeinsam entwickelt werden. Das Ende der Parallelwelten in der CO₂-Bilanzierung könnte vieles vereinfachen – aber auch neue Fragen aufwerfen.

Wer schon einmal vor der Entscheidung stand, eine CO₂-Bilanz zu erstellen, kennt das Dilemma: GHG Protocol oder ISO 14064? Beide Standards haben ihre Berechtigung, beide ihre spezifischen Stärken. Das GHG Protocol gilt als der de-facto Standard für die Unternehmensbilanzierung und wird von den meisten internationalen Initiativen wie CDP oder Science Based Targets anerkannt. Die ISO-Normen hingegen bieten den Vorteil einer formalen Zertifizierung und sind in vielen regulatorischen Kontexten etabliert.

Am 9. September 2025 haben beide Organisationen eine strategische Partnerschaft angekündigt, die diese Fragmentierung beenden soll. Ziel ist es, einen harmonisierten globalen Standard zu entwickeln, der die praktische Erfahrung des GHG Protocol mit der Normungsexpertise der ISO kombiniert.

 

Die Ausgangslage: Zwei Standards, ein Ziel

Das GHG Protocol wurde 2001 vom World Resources Institute und dem World Business Council for Sustainable Development entwickelt und hat sich als Quasi-Standard für die Unternehmensbilanzierung etabliert. Es bietet klare Richtlinien für die Kategorisierung von Emissionen in Scope 1 (direkte Emissionen), Scope 2 (indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie) und Scope 3 (alle anderen indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette).

Die ISO-Normen, insbesondere ISO 14064, wurden als internationale Standards entwickelt und bieten den Vorteil einer formalen Struktur für Verifizierung und Zertifizierung. Sie sind in drei Teile gegliedert: ISO 14064-1 für Organisationsbilanzen, ISO 14064-2 für Projektbilanzen und ISO 14064-3 für Validierung und Verifizierung.

In der Praxis führte diese Parallelität oft zu Unsicherheiten. Unternehmen mussten sich entscheiden oder sogar beide Standards parallel bedienen, was zu Mehraufwand und inkonsistenten Ergebnissen führen konnte. Besonders bei der Behandlung von Scope-3-Emissionen gab es unterschiedliche Ansätze, die die Vergleichbarkeit erschwerten.

 

Das Scope-3-Problem: Warum die Harmonisierung hier besonders wichtig ist

Scope-3-Emissionen sind der Knackpunkt jeder CO₂-Bilanz. Sie machen meist den größten Teil aus, sind aber am schwierigsten zu erfassen. Denn hier geht es um alle indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette – von den eingekauften Rohstoffen bis zur Entsorgung der verkauften Produkte.

Das GHG Protocol löst das mit 15 festen Kategorien: "eingekaufte Güter", "Geschäftsreisen", "Nutzung verkaufter Produkte" und so weiter. Klar strukturiert, aber wenig flexibel. ISO 14064 ist methodischer angelegt und gibt Unternehmen mehr Spielraum bei der Kategorisierung.

Soweit, so gut. Das Problem entsteht, wenn Unternehmen in derselben Lieferkette verschiedene Standards verwenden. Der Stahlproduzent rechnet nach ISO, sein Abnehmer nach GHG Protocol. Die Daten passen nicht zusammen, obwohl es um dieselben Emissionen geht.

Dazu kommt: Beide Standards haben unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Datenqualität ausreicht und wie gerechnet werden soll. Das GHG Protocol kennt primäre, sekundäre und generische Daten. ISO 14064 hat ähnliche Abstufungen, nennt sie aber anders und bewertet sie teilweise anders.

Das Ergebnis? Je nach Standard kommen Unternehmen zu verschiedenen Ergebnissen – bei identischen Aktivitäten. Gerade bei Scope-3-Emissionen, wo die Datenlage ohnehin oft dünn ist, verstärkt das die Unsicherheit noch.

Die Harmonisierung könnte das ändern. Einheitliche Kategorien, einheitliche Berechnungsmethoden, einheitliche Datenstandards. Das würde nicht nur die Vergleichbarkeit verbessern, sondern auch den Aufwand reduzieren. Besonders für Product Carbon Footprints, wo Daten von hunderten Zulieferern zusammenfließen müssen, wäre das ein großer Fortschritt.

Und noch ein Nebeneffekt: Mit einheitlichen Standards lässt sich die Scope-3-Bilanzierung besser digitalisieren. Automatischer Datenaustausch statt manueller Excel-Akrobatik – das würde vielen Nachhaltigkeitsverantwortlichen das Leben erleichtern.

 

Was die Harmonisierung konkret bedeutet

Die geplante Zusammenführung zielt darauf ab, die Stärken beider Systeme zu kombinieren. Das GHG Protocol bringt seine breite Marktakzeptanz und praktische Anwendbarkeit ein, während ISO seine Expertise in der Normung und im Bereich Auditierung beisteuert. Das Ergebnis soll ein einheitlicher Standard sein, der sowohl die Flexibilität des GHG Protocol als auch die Robustheit der ISO-Normen bietet.

Für die praktische Anwendung bedeutet dies zunächst eine Vereinheitlichung der Methodiken. Unterschiedliche Definitionen für Emissionskategorien, verschiedene Ansätze bei der Allokation von Emissionen oder abweichende Anforderungen an die Datenqualität sollen harmonisiert werden.

Die neue Partnerschaft wird auch die Konsistenz zwischen Unternehmens-, Produkt- und Projektbilanzen verbessern. Bisher gab es hier teilweise unterschiedliche Ansätze, die zu Verwirrung führen konnten. Ein harmonisierter Standard soll diese Lücken schließen und eine durchgängige Methodik über alle Bilanzierungsebenen hinweg bieten.

 

Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Bilanzierungspraxis

Für Unternehmen, die bereits CO₂-Bilanzen erstellen, bringt die Harmonisierung mehrere Vorteile. Der offensichtlichste ist die Reduzierung von Komplexität und Doppelaufwand. Statt sich zwischen verschiedenen Standards entscheiden zu müssen oder sogar beide parallel zu bedienen, gibt es künftig einen klaren Weg.

Die Vergleichbarkeit von Bilanzen wird sich deutlich verbessern. Bisher war es oft schwierig zu beurteilen, ob unterschiedliche Ergebnisse auf verschiedene Geschäftsmodelle oder auf unterschiedliche Bilanzierungsansätze zurückzuführen waren. Ein einheitlicher Standard schafft hier Klarheit.

Besonders relevant ist dies für Unternehmen, die in internationalen Lieferketten agieren. Wenn Zulieferer und Abnehmer nach demselben Standard bilanzieren, wird die Aggregation von Daten entlang der Wertschöpfungskette erheblich vereinfacht. Das ist besonders für die Berechnung von Scope-3-Emissionen wichtig, die oft den größten Anteil an der Gesamtbilanz ausmachen.

Für Unternehmen, die ihre Bilanzen extern verifizieren lassen, ergeben sich ebenfalls Vorteile. Die Kombination der praktischen Erfahrung des GHG Protocol mit der Auditierungsexpertise der ISO sollte zu robusteren und konsistenteren Verifizierungsprozessen führen.

 

Der Unterschied zwischen Bilanzierung und Zertifizierung

Ein wichtiger Punkt, der oft zu Verwirrung führt: Die Erstellung einer Bilanz nach GHG Protocol oder ISO bedeutet noch nicht automatisch, dass diese zertifiziert ist. Für eine offizielle Zertifizierung muss die Bilanz von einer akkreditierten, unabhängigen Stelle geprüft werden.

Akkreditierte Zertifizierungsstellen sind Organisationen, die von nationalen Akkreditierungsbehörden – in Deutschland der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) – formal berechtigt wurden, Zertifizierungen durchzuführen. Diese Stellen müssen regelmäßige Audits bestehen und ihre Kompetenz nachweisen. Beispiele sind TÜV Süd, TÜV Rheinland, DEKRA, DQS oder DNV Business Assurance.

Der Prozess läuft typischerweise so ab: Ein Unternehmen erstellt seine Bilanz nach einem anerkannten Standard, beauftragt dann eine akkreditierte Zertifizierungsstelle mit der Prüfung. Diese überprüft die Methodik, die Datenqualität, die Vollständigkeit und die Plausibilität der Ergebnisse. Nur wenn alle Kriterien erfüllt sind, wird ein Zertifikat ausgestellt.

Dieser Prozess bleibt auch nach der Harmonisierung bestehen. Der Vorteil wird sein, dass die Prüfer nach einheitlichen Kriterien bewerten können, was die Konsistenz und Qualität der Zertifizierungen verbessern sollte.

 

Zeitplan und Übergangsphase

Ein konkretes Datum für den Abschluss der Harmonisierung gibt es noch nicht. Solche Prozesse sind komplex und zeitaufwendig, da sie intensive Abstimmungen zwischen verschiedenen Stakeholdern erfordern. Experten gehen davon aus, dass die vollständige Integration mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird.

Bis dahin bleiben beide Standards parallel bestehen. Unternehmen müssen nicht sofort umstellen und können ihre bewährten Prozesse weiterführen. Es empfiehlt sich jedoch, die Entwicklung zu verfolgen und sich frühzeitig auf die neuen Standards einzustellen.

Die Übergangsphase bietet auch die Chance, bestehende Bilanzierungsprozesse zu überprüfen und zu optimieren. Unternehmen können diese Zeit nutzen, um ihre Datenerfassung zu verbessern, Prozesse zu digitalisieren oder ihre Mitarbeiter weiterzubilden.

 

Auswirkungen auf die Organisationen selbst

Beide Organisationen werden durch die Partnerschaft bestehen bleiben. Es handelt sich nicht um eine Übernahme oder Fusion, sondern um eine strategische Kooperation. ISO und GHG Protocol werden ihre jeweiligen Stärken einbringen und gemeinsam neue Standards entwickeln.

Das GHG Protocol wird weiterhin seine Rolle als praktischer Leitfaden für Unternehmen spielen, während ISO seine Expertise in der formalen Normung und Zertifizierung einbringt. Die künftigen Standards werden unter einem gemeinsamen Branding entwickelt und veröffentlicht.

Diese Arbeitsteilung macht Sinn: ISO verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung internationaler Normen und hat etablierte Prozesse für Konsultationen und Abstimmungen. Das GHG Protocol hingegen hat sich als praktischer Standard bewährt und wird von einer Vielzahl von Initiativen und Organisationen anerkannt.

 

Regulatorische Implikationen

Die Harmonisierung kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Mit der EU-Taxonomie, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und ähnlichen Regulierungen weltweit steigen die Anforderungen an die Klimaberichterstattung kontinuierlich. Ein einheitlicher Standard kann hier für mehr Klarheit und Effizienz sorgen.

Viele Regulierungen verweisen bereits heute auf anerkannte Standards wie das GHG Protocol oder ISO-Normen. Ein harmonisierter Standard würde diese Verweise vereinfachen und Rechtssicherheit schaffen. Unternehmen müssten sich nicht mehr fragen, welcher Standard von welcher Regulierung akzeptiert wird.

Auch für die Entwicklung künftiger Regulierungen ist ein einheitlicher Standard hilfreich. Regulatoren können sich auf etablierte Methoden beziehen, statt eigene Standards entwickeln zu müssen. Das reduziert die Fragmentierung und erleichtert die internationale Harmonisierung von Klimaregulierungen.

Die Partnerschaft zwischen GHG Protocol und ISO markiert einen wichtigen Schritt in Richtung einer standardisierten, global akzeptierten Herangehensweise an die CO₂-Bilanzierung. Für Unternehmen bedeutet das weniger Komplexität, bessere Vergleichbarkeit und letztendlich effizientere Prozesse im Klimamanagement. Bis zur vollständigen Umsetzung wird es noch dauern, aber die Richtung ist klar: Die Zeit der parallelen Standards geht zu Ende.

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